"Der glaube bietet Hoffnung"

In diesem Jahr ist Ostern anders als sonst. Die Corona-Pandemie hat die Welt im Griff. Auch für die Kirchen ist das eine ungewöhnliche Situation, die sie allerorten mit vielen Herausforderungen meistern müssen, zum Beispiel mit Online-Gottesdiensten. Für Läufer sind die Zeiten ebenfalls nicht normal, auch wenn man selten zuvor soviele Menschen hat laufen sehen.

Dirk Stoll vereinbart beides. Er ist der offizielle Marathon-Pfarrer des EAM Kassel Marathon, leitet regelmäßig die Marathon-Andacht am Veranstaltungswochenende und erteilt den Läufersegen beim offiziellen Testlauf. Zudem ist er Leiter des Vorbereitungs-Stützpunktes Kassel-Nord und zertifizierter Lauftherapeut und ist mitverantwortlich dafür, dass die Deutschen Ökumenischen Kirchenmeisterschaften im Rahmen des EAM Kassel Marathon stattfinden.

Wir haben mit ihm über Ostern, Laufen und die Corona-Situation gesprochen.

(Anmerkung: Da wir uns als Läufer sehr gut kennen, haben wir auch das Du als Form gewählt. Foto: Michael Bald)


Dirk, was ist in diesem Jahr für Dich so besonders an Ostern?
Dirk Stoll: Abgesehen davon, dass ich gerade in diesen Tagen umziehe, ist es das erste Osterfest seit langer Zeit, an dem ich keine Gottesdienste habe. Das liegt zum einen daran, dass ich ja seit letztem Sommer nicht mehr Gemeindepfarrer bin (sondern eine besondere Stelle für „Bestattungskultur“ habe), aber natürlich auch daran, dass es in diesem Jahr tatsächlich keine Gottesdienste an den Kar- und Ostertagen gibt. Besonders traurig bin ich darüber, dass unsere „Gethsemane-Nacht“, die vom Abendmahlsgottesdienst am Gründonnerstag bis zum Abschlussgottesdienst zur Todesstunde am Karfreitag eine offene Kirche zum „Wachen und beten“ bot, nicht stattfinden kann.

Was bedeutet es für Gläubige, ein Osterfest in Zeiten wie diesen zu feiern?
Dirk Stoll: Es ist natürlich ungewohnt, nicht am Ostersonntag in die Kirche zu gehen und sich den österlichen Gruß: „Der Herr ist erstanden!“ „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ zuzusprechen.  Gleichwohl können wir uns dies dennoch auch auf anderem Weg wünschen: Am Telephon, per Email oder auf den Social Media-Kanälen. Oder auch über den Gartenzaun hinweg zurufen. Das kommt uns vielleicht zunächst fremd und  unpersönlich vor, aber möglicherweise führt es ja auch zu ganz neuen Beziehungen – wenn vielleicht nicht gleich, so dann doch nach „Corona“.

Was kann man Positives aus den Tagen ziehen?
Dirk Stoll: Ostern zeigt uns doch gerade, dass wir uns von der Angst vor dem Corona-Virus nicht kleinkriegen lassen brauchen: Denn der Ostertag führt uns vor Augen, dass auch der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern dass es danach noch weitergeht – in der Auferstehung. Wie diese genau aussieht, das ist ungewiss: Aber wir haben die „gewisse Hoffnung“ (Hebr 11,1), dass sie kommt.

Verändert sich die Einstellung zum Glauben durch die Corona-Pandemie bei Menschen?
Dirk Stoll: Wir sind es ja in unserer Umwelt gewohnt, den Tod (und damit auch die Gedanken über das „Danach“) zu verdrängen – denn im Gegensatz zu früheren Generationen haben wir ja „die Verlängerung des Lebens um einige Jahre durch medizinische und andere Möglichkeiten gegen eine ganze Ewigkeit eingetauscht“, wie es mal jemand formulierte. Und sind deshalb lange Zeit der Meinung, dass die eigene Endlichkeit nicht existiert. Eine Pandemie aber rückt dies durchaus in den eigenen Horizont.
Da ergibt sich auch, dass die Hoffnungen, die der Glaube bietet, wieder in den Blick kommen, man sich damit beschäftigt – und vielleicht die Erkenntnis gewinnt, dass diese Sichtweise doch Halt geben kann.

Was bedeutet es für Dich als nahezu täglichem Läufer?
Dirk Stoll: Als Lauftrainer – und vor allem als Lauftherapeut – weiß ich ja, dass ein (maßvolles) Ausdauertraining die Abwehrfähigkeit stützt. So sollte man tatsächlich das schöne Wetter, welches wir über Ostern erwarten dürfen, für das eine oder andere Läufchen nutzen – wobei man selbstverständlich immer den Sicherheitsabstand wahren sollte … allerdings nur dann laufen, soweit man keine fiebrigen Erkrankungsmerkmale hat!

Wie verläuft das Training in Deinem Stützpunkt zurzeit?
Dirk Stoll: Das fällt derzeit aus – und auch der offizielle Saisoneröffnungstermin (der für den 11. Mai vorgesehen ist), ist noch offen – da gilt es, die Entwicklungen der nächsten Wochen abzuwarten.

Viele Teilnehmer haben die Andacht beim EAM Kassel Marathon schon besucht. Aus dem Segen ziehen sie auch Kraft für ihren Lauf. Was rätst Du ihnen jetzt, wo für viele die Ziele wegen des Ausfalls von geplanten Wettbewerben nicht direkt greifbar sind?
Dirk Stoll: Nehmt die Situation mit der Gelassenheit, die Anna Hahner damals an den Tag legte, als sie wegen einiger Sekunden nicht beim olympischen Marathon in London starten durfte und was sie in ihrem Blog „Olympische Spiele in London – aber ohne mich“ so abschloss: „Ich habe gelernt, in jeder Lage zurechtzukommen und nicht von äußeren Umständen abhängig zu sein. Allem bin ich gewachsen durch den, der mich stark macht“ (Phil 4,11b.13).

Muss man sich unbedingt Ziele setzen, beim Laufen und im Glauben?
Dirk Stoll: Ziele sind sicher sinnvoll, aber sie sind immer auch von der aktuellen Situation abhängig: So sind sie auch nach einer Verletzung oder einem aus ganz anderen Gründen eintretenden Trainingsausfall noch mal zu bedenken – wieviel mehr, wenn die Gesundheit vieler auf dem Spiel steht…

Viele sehen im Laufen auch eine Erfüllung, für sie gehört laufen zum Leben dazu. Was empfiehlst Du ihnen als Lauftherapeut für jetzt, aber auch für die Zeit nach der Corona-Krise?
Dirk Stoll: Übertreibt das Training jetzt nicht (denn Übertraining macht auch wieder krankheitsanfällig) – und freut euch auf die Wettkämpfe, die dann kommen werden, wenn sie wieder möglich sind…

Wenn Du die aktuelle Situation ganz kurz zusammenfasst, wie würde Dein "Läufer-Segen" lauten, den wir an dieser Stelle so weitergeben möchten?
Dirk Stoll: Lauft dahin mit dem Segen des allmächtigen Gottes. „Denn ich bin gewiss, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“ (Röm 8,38f. – übrigens mein Ordinationsspruch, der mir anlässlich meiner Einführung als Pfarrer zugesprochen wurde)